Unsere Gildegeschichte

Knochenbruchsgilde für Schönhorst und Umgegend von 1853

Wie viele Gilden, so hat sich auch die Schönhorster Knochenbruchsgilde in ihrer Gründungszeit als Solidargemeinschaft gebildet und verstanden. Es gab noch keine Kranken- und Sozialversicherungen, und die Menschen waren auf gegenseitige Hilfe angewiesen. Gerade in den landwirtschaftlichen Bereichen war die Unfallgefahr groß, und wenn der Ernährer der Familie aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalles ausfiel, so war eine finanzielle Versorgung nicht gegeben. Deshalb wurde eine Gilde gegründet, die bei Knochenbrüchen, Verlusten von Gliedmaßen oder dem Augenlicht so genannte Schadensgelder von den Mitgliedern für den Betroffenen sammelte, um die größte Not zu lindern. Die Gilde war also eine Versicherung in einem kleinen Rahmen mit großer Wirkung. Der Leitspruch „Einer für Alle und Alle für Einen“ hat hier seine absolute Berechtigung.

Die Schönhorster Gilde ist, gemessen an anderen Gilden der Region, noch relativ jung. Sie wurde im Jahre 1853 gegründet. Aus diesem Jahr gibt es keine Urkunden bzw. nachweise, sie sollen bei einem Brand vernichtet worden sein. Die älteste vorhandene Gildekurkunde stammt aus dem Jahre 1869. Sie wurde anlässlich einer Statuten-Neufassung am Gildetag am 6.Juni 1869 neu gefasst. Die Statuten von 1853 waren nicht mehr zeitgemäß. In 16 Paragraphen wurde die neue „Formierung“ festgehalten.

Der Wortlaut der Urkunde:

Vorstehende Gildegesetze werden mit dem Wunsche geschlossen, dass jeder Interessent die Gilde als einen Verein wahrer Bruderliebe ansehen wolle. Williger und freudiger Gehorsam gegen dieselben sei darum die Losung, auf das der Gildetag ein Tag erlaubter und unschuldiger Freude, und der Verein selbst ein Mittel werde, Tränen zu trocknen und Bruderwohl zu befördern.

Das walte Gott!

Durch das Gutssiegel des „Inspectorats des adligen Gutes Schönhorst“, sowie der Unterschrift des Inspectores Petersen, wurden die Statuten genehmigt.

Diese noch handgeschriebenen ältesten Statuten wurden im Stammbuch niedergeschrieben, in denen auch die Gilde-Interessenten festgehalten wurden. Erneuert wurde sie in den Jahren 1933, 1966 und letztmals 1976. Sie wurden den jeweiligen Anforderungen angepasst, geblieben sind jedoch bis in die heutige Zeit die Zahlungen der Schadensgelder. Diese gliedern sich in 5 Gruppen. Je nach Schwere des Bruchs wird gestaffelt 40,00 bis 110,00 DM ausgezahlt. Ebenso wird bei einem Sterbefall eine Unterstützung gezahlt. Kinder erhalten, wenn beide Eheleute versichert sind, die Hälfte der Sätze.

Neben der Versicherung gehörte schon seit der Gründung eine jährliche stattfindende Gildefeier zum festen Bestandteil der Vereinigung. Hierfür wurde von den Mitgliedern ein so genanntes Zechgeld eingesammelt. Nichtmitglieder, die zum Tanzvergnügen kamen, mussten ein Eintrittsgeld entrichten. Der Gildeschreiber hatte die Aufgabe, diese Gelder zu verwalten. Hierfür musste er vor den Mitgliedern bei den Statuten von 1869 festgeschrieben, immer am ersten Sonntag, nach dem 1. Juni Bericht erstatten. Dieses ist bis heute so geblieben.

Gibt es heute den Kassenwart, so war früher der Gildeschreiber für die Kasse und das Kassieren der Schadensgelder zuständig. Bis zum Jahre 1874 wurde in Talern und Silbergroschen gerechnet, und die Kassenabrechnung wurde ins Protokollbuch eingetragen. Interessant ist hierbei, dass die „Musici“ zum Gildeball, damals wie heute, den größten Anteil der Ausgaben ausmacht.

Die Geschichte und der Werdegang der Gilde war natürlich stets verbunden mit den geschichtlichen Ereignissen unseres Landes. So fanden in den Jahren während beider Weltkriege 1915-20 und 1940-47 keine Gildefeierlichkeiten statt. Aber die Gilde in ihrer Gemeinschaft war stark genug, um sich nach den Kriegsjahren wieder neu zu finden und den Gemeinschaftsgedanken wieder aufleben zu lassen.

Es gibt im Umkreis viele Gilden, die sich aus verschiedenen Motiven heraus gegründet haben. Im Ortsteil Schönhorst ist die Gilde der einzige Verein. Während es in anderen Orten, Ortsteilen bzw. Stadtteilen häufig eine Menge anderer Vereine oder Zusammenschlüsse gibt – Sportvereine, Feuerwehren oder andere Hilfsorganisationen – die alle auch kulturelle Aufgaben übernehmen, so übernimmt die Knochenbruchsgilde in Schönhorst einen Teil dieser Aufgaben.

Wurde in der Vergangenheit nur einmal im Jahr das Gildefest gefeiert, so werden heute im Laufe des Jahres viele Veranstaltungen durchgeführt. So organisiert die Gilde zum Beispiel die Aktion sauberes Dorf in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, bieten Fahrrad- und Fußballturniere, Laternenumzüge und Weihnachtsfeiern an. Im Laufe der letzten 15 Jahre hat sich die Gilde mehr und mehr von der Solidargemeinschaft und dem Ausrichter des Gildejahresfestes zur Institution der Bereicherung des Dorflebens entwickelt. Dies wird auch an der Entstehung des Gildeplatzes deutlich sichtbar.

Zur 125-Jahrfeier 1978 sollte das Gildefest in einem größeren Rahmen gefeiert werden. Zu diesem Anlass wurde auch erstmals eine Festschrift herausgebracht. Die Gildebrüder Peter Hennings, Ralf Spreckels und der leider viel zu früh von uns gegangene Hans-Peter Hollmann erklärten sich dazu bereit. Weil der Dorfkrug zu klein erschien,wurde ein Festzelt gewünscht. Hans Heinrich Schröder stellte uns seine Koppel zur Verfügung. Hier wurde erstmals in einem größeren Rahmen die Gilde gefeiert.

Während der Gildefeierlichkeiten 1978 wurde der Wunsch nach einem eigenen Gildeplatz, einem „Zuhause“ für die Gemeinschaft geäußert. Als dann bei dem Besitzerwechsel des ehemaligen Schulgebäudes bekannt wurde, dass die angrenzenden Grundstücke der Gemeinde gehörten, ergab sich die Möglichkeit, einen Platz zu erhalten. Im Rahmen der 126-jährigen Gildetage übergab der damalige Bürgermeister der Gemeinde Paul Schade der Gilde einen Vertrag zur kostenlosen Nutzung des Grundstückes. Nun galt es, die Kosten für die Herrichtung des Platzes zu ermitteln, hierfür wurden etwa 45.000,00 DM errechnet. Erst nachdem die Kosten mit „spitzem Bleistift“ errechnet wurden, schien der Plan, einen eigenen Gildeplatz zu erstellen, realisierbar.

Die Mitglieder der Gilde oder besser der Dorfgemeinschaft begannen, die Pläne zur Platzgestaltung zu verwirklichen. Zum Gildefest 1980 war es dann soweit, unser Ehrenmitglied, der damalige Landtagspräsident Rudolf Titzck, versenkte unter dem Findling am Eingang des Gildeplatzes eine Schatulle mit den Auszügen über Schönhorst aus der „Wiese´schen Chronik“, Zeitungsausschnitten der Kieler Nachrichten sowie der Schönkirchener Nachrichten, der aktuellen Mitgliederliste der Knochenbruchsgilde für Schönhorst und Umgegend., Geldstücke aus der heutigen Zeit und die Grußworte der Festschrift zur 125-Jahr-Feuer. Zunächst diente ein Bauwagen als Materialraum. Zwischenzeitlich wurde ein festes Gebäude für die Veranstaltungen und als Geräteraum errichtet.

Mit einem weiteren Finanz- und Arbeitsaufwand wurden im Jahre 1992 die Toiletten fertig gestellt. Nun können alle Veranstaltungen „ordnungsgemäß“, den Vorschriften entsprechend, auf dem Gildeplatz durchgeführt werden. Die Schönhorster sind stolz auf ihren Gildeplatz mit dem Kinderspielplatz, den Fußballtoren, den Gebäuden und dem Schießstand.

Während des alljährlichen Gildefestes wird das Königspaar gekürt. Die Damen ermitteln ihre Königin durch das Fischpicken auf eine Kleinkaliberscheibe. Der König wird durch das Schießen auf den Vogel nach verdeckter Liste ausgeschossen. In den Statuten von 1869 ist im § 15 genau festgelegt, in welcher Reihenfolge der Vogel „abgeschossen“ wird. Im Laufe der Zeit hat sich die Art des Schießens gewandelt. Dabei war es jedoch stets gleichgültig, ob mit der Armbrust, dem Vorderlader – er durfte nicht überladen werden – mit dem Kleinkalibergewehr oder, wie heute wieder, mit dem Luftgewehr geschossen wurde. Hauptsache am Ende des Schießens stand ein König fest. Die Namen der Könige, seit 1964 auch die der Königinnen, werden auf Silberanhängern graviert, die an die Königskette angebracht werden. Diese Kette wurde zur 100-Jahrfeier 1953 eingeführt.

Seit 1869 ist die Geschichte der Gilde anhand der Protokollbücher lückenlos zu verfolgen. Der Vorstand bestand, und das ist bis heute so geblieben, aus den beiden Ältermännern, den Gildeschreibern, den Schaffner bzw. später den Kassenboten und dem Festausschuss, den so genannten Achtleuten bzw. –Männern. Früher hatten die Kassenboten – Schaffner – die Aufgabe, die Schadens- Zechgelder bei den Mitgliedern einzusammeln. Die Kasse wurde durch die Schreiber geführt. Trotz der 140-jährigen Gildegeschichte hatte die Gilde nur wenige Ältermänner, d.h. dass wohl immer die richtigen Männer für dieses Amt gewählt wurden.

Der Schönhorster Knochenbruchsgilde war in unserer Gegend einer der ersten, die den Frauen in der sonst von Männern beherrschten Gemeinschaft die volle Gleichberechtigung einräumte. Die Frauen wurden vollwertige Mitglieder, und im Vorstand ist die Arbeit der Damen nicht mehr wegzudenken.

Der Leitgedanke der Gilde „Tränen zu trocknen und Brüderwohl zu befördern“ hat in der Dorfgemeinschaft im übertriebenen Sinne auch heute immer wieder noch seine Gültigkeit. Wenn die Gilden auch heute nicht mehr ihre alte historische Bedeutung haben, so haben sich die Aufgaben im Laufe der Zeit gewandelt. Die Aufrechterhaltung des Gemeinsinnes im Orte, und die Pflege erhaltenswerter Traditionen als eine ständige Bereicherung des Zusammenlebens sind wichtige und schöne Aufgaben, deren sich die Gilden annehmen und die nicht in Vergessenheit geraten sollen.

Seit 1980 arbeiten die drei Ortsgilden, die Alte Gilde Schönkirchen, die Knochenbruchgilde Flüggendorf und die Knochenbruchsgilde für Schönhorst und Umgegend in enger Verbundenheit – im Sinne der Statuten der Gilden – zum Wohle ihrer Mitglieder und ihrer Gemeinde eng zusammen, ohne ihre Eigenständigkeit dabei aufzugeben.

geschrieben von:

Walter Köpke